Beschluss: Einstimmig abgelehnt

Abstimmung: Ja: 0, Nein: 21, Anwesend: 21

Die Veränderungen zwischen der neuen und bisherigen Planung wurden erläutert.


Beschluss:

 

Die Stadt Bogen erteilt das Einvernehmen zum Antrag auf Baugenehmigung der Buchbauer Projekt III GmbH vom 23.04.2016 mit den drei Eingabeplänen vom 22.04.2016, dem Antrag auf Abweichungen vom 22.04.2016 und allen sonstigen Anlagen.

Gründe für die Verweigerung des Einvernehmens:

In der Stadtratssitzung am 23.09.2015 wurde der Antrag auf Nutzungsänderung und Erweiterung des Lebensmittelmarktes zu einer Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber behandelt. Das Einvernehmen wurde nicht erteilt.

Mit Schreiben des Landratsamtes Straubing-Bogen vom 30.12.2015, erhalten am 20.01.2016, vertritt das Landratsamt die Auffassung, dass das gemeindliche Einvernehmen zu Unrecht verweigert worden sei und die Versagung im Stadtratsbeschluss auch nicht begründet worden sei. Das Landratsamt hat die Stadt Bogen im genannten Schreiben daher aufgefordert, den Bauantrag unter Beachtung der Rechtsauffassung des Landratsamts Straubing-Bogen nochmals zu behandeln.

 

Nach Auffassung des Landratsamts ist eine Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber als soziale Einrichtung in einem Mischgebiet planungsrechtlich nach § 34 Abs. 2 BauGB, § 6 Abs. 2 Nr. 5 BauNVO allgemein zulässig. Aufgrund der bereits vorhandenen Bebauung in der unmittelbaren Umgebung sei ein Nichteinfügen bezüglich des Maßes der baulichen Nutzung oder der überbauten Grundstücksfläche nicht feststellbar. Die Nutzung als Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber verstoße auch nicht gegen das Gebot der Rücksichtnahme.

 

In der Stadtratssitzung am 24.02.2016 wurde der Bauantrag zur Nutzungsänderung und Erweiterung des Lebensmittelmarktes zur Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber - wie im Schreiben des Landratsamts vom 30.12.2015 verlangt - unter Beachtung der Rechtsauffassung des Landratsamts Straubing-Bogen nochmals behandelt und das Einvernehmen erneut versagt.

 

Mit Schreiben des Landratsamts Straubing-Bogen vom 24.05.2016, bei der Stadt Bogen eingegangen am 30.05.2016, hat das Landratsamt Straubing-Bogen Änderungspläne übermittelt, die ihm nach eigenen Angaben am 25.04.2016 vorgelegt worden seien und die Anpassungen beinhalteten aufgrund der Reduzierung der unterzubringenden Personen von 231 auf nunmehr 185 Asylbewerber. Das Landratsamt bittet im genannten Schreiben um Stellungnahme und Erteilung des gemeindlichen Einvernehmens „zum beiliegenden Antrag“.

 

 

Hierbei handelt es sich um

 

-           den Antrag auf Baugenehmigung der Buchbauer Projekt III GmbH vom 23.04.2016,

-           drei Eingabepläne vom 22.04.2016,

-           die Baubeschreibung vom 23.04.2016,

-           die Erklärung über die Erfüllung des Kriterienkatalogs gemäß Anlage 2 der Bauvorlageverordnung vom 23.04.2016,

-           den Antrag auf Abweichungen vom 22.04.2016,

-           den Brandschutznachweis vom 22.04.2016,

-           den Auszug aus dem Liegenschaftskataster vom 15.06.2015,

-           die Netto-Grundflächenberechnung nach DIN 277 vom 22.04.2016,

-           die Brutto-Grundflächenberechnung nach DIN 277 vom 22.04.2016,

-           die Berechnung des umbauten Raums vom 22.04.2016,

-           die Stellplatzberechnung vom 22.04.2016 und

-           die Bestimmung des Verantwortlichen vom 23.04.2016.

 

Der Bitte des Landratsamts Straubing-Bogen entsprechend behandelt der Stadtrat nachfolgend die vom Landratsamt Straubing-Bogen übersandten Antragsunterlagen:

 

-           Das beantragte Gebäude für die Asylbewerbergemeinschaftsunterkunft hat eine Brutto-Grundfläche von 2.712  m². Die Gebäude auf den östlich angrenzenden Grundstücken (Richard-Seefried-Straße 1 bis 13) haben Grundflächen zwischen 112 m² und 192 m². Die Gebäude auf den südlich angrenzenden Grundstücken (Bahnhofstraße 20, 20 a, 22 und 24) haben Grundflächen zwischen 208 m² und 588 m².

 

Obgleich der beantragte Baukörper sich gegenüber dem Erstantrag um rund 281 m² von 2.993 m² auf 2.712 m² verringert hat, fällt der beantragte Baukörper für die Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber nach seiner Grundfläche noch immer absolut aus dem Rahmen der angrenzenden Bebauung. Die Grundfläche des Baukörpers der Gemeinschaftsunterkunft ist z. B. 24,5 Mal größer als die Grundfläche des Gebäudes Richard-Seefried-Straße 9 und 4,5 Mal größer als das Gebäude mit der größten Grundflächenzahl in der näheren Umgebung (Bahnhofsstraße 24).

 

 

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kommt es bei dem Maß der baulichen Nutzung im Sinne des § 34 Abs. 1 S.1 BauGB auf die absoluten Maße (insbesondere die Grundfläche) an. Nach dieser Rechtsprechung fügt sich das beantragte Bauvorhaben nach dem Maß der baulichen Nutzung nicht in die Eigenart der näheren Umgebung ein und ist daher und im Hinblick auf das planungsrechtliche Rücksichtnahmegebot planungsrechtlich unzulässig.

 

-           Auch in Bezug auf die umgebende Freifläche fällt das beantragte Bauvorhaben völlig aus dem Rahmen.

 

Der bisherige Lebensmittelmarkt, der zur Asylbewerberunterkunft umgebaut werden soll, hatte bisher eine Grundflächenzahl von 0,29. Durch die massive flächenmäßige Vergrößerung des Lebensmittelmarkts zur Gemeinschaftsunterkunft in nordöstliche und südöstliche Richtung von derzeit 1.536 m² um 1.176  m² auf 2.712 m² erhöht sich die Grundflächenzahl von 0,29 auf 0,51. Durch das beantragte Bauvorhaben vergrößert sich die Grundflächenzahl also um 76,5 %, während sich die umgebende Freifläche auf dem eigenen Grundstück demgemäß drastisch reduziert.

 

Die östlich angrenzenden Grundstücke Richard-Seefried-Straße 1 bis 13 weisen eine Grundflächenzahl zwischen 0,10 und 0,38 auf, die südlich angrenzenden Grundstücke (Bahnhofstraße 20, 20 a, 22 und 24) eine Grundflächenzahl von 0,30 bis 0,57. Die vier letztgenannten Grundstücke sind aber nicht repräsentativ, da in diesen die gewerbliche und freiberufliche Nutzung überwiegt.

 

Damit fällt die beantragte Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber auch in ihrem Verhältnis zur umgebenden Freifläche auf dem eigenen Grundstück völlig aus dem Rahmen der näheren Umgebung, insbesondere gegenüber den östlich angrenzenden Grundstücken Richard-Seefried-Straße 1 bis 13 und fügt sich auch unter diesem Gesichtspunkt nach dem Maß der baulichen Nutzung nicht in die Eigenart der näheren Umgebung ein und ist daher auch unter diesem Gesichtspunkt und im Hinblick auf das planungsrechtliche Rücksichtnahmegebot planungsrechtlich unzulässig.

 

-           Die beantragte Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber ist nunmehr für 185 statt bisher 231 Personen ausgelegt. Aus dem im Flächennutzungsplan  dargestellten Gebietscharakter Mischgebiet folgt nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts die Gleichwertigkeit und Gleichgewichtigkeit von Wohnen und nicht störendem Gewerbe, da ein Mischgebiet die bauplanungsrechtlichen Grundlagen für die beiden Nutzungsarten enthält. Keine der beiden Nutzungsarten darf ein deutliches Übergewicht über die andere gewinnen. Dies ist aber bei der Gemeinschaftsunterkunft der Fall, da die Unterkunft den Gebietscharakter Mischgebiet deutlich in Richtung „Wohnen“ verschiebt. Die bestehenden gewerblichen und freiberuflichen Nutzungen im Mischgebiet werden daher in ihrem Bestand gefährdet. Auch bauliche Veränderungen und Neuansiedlungen für gewerbliche und freiberufliche Nutzungen werden dadurch planungsrechtlich erschwert und unter Umständen sogar unmöglich.

 

-           Die beantragte Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber mit einer Belegung von 185 Personen verletzt das planungsrechtliche Rücksichtnahmegebot.

 

Zum einen schon deswegen, da es sich - wie oben dargestellt - nicht innerhalb des aus der Umgebung ableitbaren Rahmens hält.

 

Zum anderen, weil es die gebotene Rücksichtnahme auf die in der unmittelbaren Nachbarschaft vorhandene Bebauung vermissen lässt.

 

Bei den beengten Räumlichkeiten innerhalb des Gebäudes (z. B. existiert bei einer Gesamtgrundfläche von 2.712 m² nur ein Spielzimmer von lediglich 25 m² - das entspricht einer Fläche von nur 0,9 %, also weniger als 1 % der Gesamtgrundfläche), den viel zu geringen Freiflächen außerhalb des Gebäudes auf dem eigenen Grundstück und den nicht existierenden Aufenthaltsmöglichkeiten auf dem eigenen Grundstück (es ist lediglich ein Spielplatz - ohne jede Maßangabe - mit einem kleinen Sandkasten, zwei Bänken und einem Spielgerät vorgesehen)  werden sich die Bewohner zwangsläufig außerhalb des Grundstücks in der näheren Umgebung aufhalten müssen, um der Enge der Gemeinschaftsunterkunft entfliehen zu können.

 

Die hohe Belegungsdichte weist somit planungsrechtlich tatsächliche und rechtliche Besonderheiten auf, die dazu führen, dass das beabsichtigte Bauvorhaben boden- bzw. bauplanungsrechtliche Relevanz hat. Die Belegung mit nunmehr 185 Personen ist immer noch absolut unverhältnismäßig in Bezug auf die nähere Umgebung, somit gebietsunverträglich und lässt die gebotene Rücksichtnahme auf die in der unmittelbaren Nachbarschaft vorhandene Gewerbe- und Wohnbebauung vermissen.

 

Auch aus diesem Grund ist das Vorhaben bauplanungsrechtlich unzulässig.

 

-           Der Bereich Bahnhofstraße mit den angrenzenden großflächigen Bereichen ist seit 2009 Bestandteil des „Stadtumbau West“. Die Stadt hat in diesem Zusammenhang für die einzelnen Stadtbereiche und die bestehenden und geplanten Nutzungen einen erheblichen Planungsaufwand betrieben. Die Bahnhofstraße mit angrenzenden Grundstücken wird im Rahmen Stadtumbau West zur Zeit überplant und 2017/2018 saniert. In der Stadtratssitzung am 26.10.2015 wurde deshalb beschlossen, für das Gebiet beim Bahnhof, in dem auch das geplante Bauvorhaben liegt, einen Bebauungsplan „SO Wohnmobilstellplätze“ aufzustellen. Ausschlaggebend für diese Standortwahl war die bereits für den Fremdenverkehr bestehende Infrastruktur wie Bahnhof, Busbahnhof, Infostelle Touristik und Naturpark, E-Tankstelle für PKW und E-Bikes. Zudem  lassen sich weitere notwendige Einrichtungen zentral schaffen.

Die geplante Gemeinschaftsunterkunft würde die hier vorgesehene Städtebauliche Planung vereiteln und stellt daher alle bisherigen Anstrengungen in Frage.

 

Aus vorgenannten Gründen kann der Argumentation des Landratsamtes, insbesondere dahingehend, dass bei einer Genehmigung das Gebot der Rücksichtnahme nicht verletzt werde, nicht gefolgt werden.

 

-           Dem Antrag auf Baugenehmigung vom 23.04.21016 liegt ein Antrag auf Abweichungen vom 22.04.2016 bei, mit dem Befreiung von Art. 28 Abs. 2 Nr. 2 Bayerische Bauordnung beantragt wird. Gemäß dieser Bestimmung sind Brandwände erforderlich als innere Brandwand zur Unterteilung ausgedehnter Gebäude in Abständen von nicht mehr als 40 m. Gemäß dem Abweichungsantrag wird der Maximalabstand von 40 m auf 54 m bzw. 59 m in zwei Brandabschnitten ausgedehnt. Dieser Antrag wird damit begründet, dass durch den Einbau einer aufgeschalteten Brandmeldeanlage der Brandschutz und die Sicherheit der Personen gewährleistet werden könne. Um die Erkennung und Alarmierung bei Bränden zu beschleunigen,  werde zur Kompensierung das Gebäude mit einer an die Leitstelle ausgeschalteten Brandmeldeanlage ausgestattet. Der Brandschutz sei ohnehin sicher über den 2. Rettungsweg, der von jedem Zimmer über Türe ins Freie führe, optimal gewährleistet.

 

Angesichts der bundesweiten Erfahrung mit Bränden in Gemeinschaftsunterkünften für Asylbewerber,  sei es durch Unachtsamkeit oder durch Brandstiftung, kann die beantragte Abweichung nicht gewährt werden, da infolge der beantragten Abweichung die Anforderungen an sichere und gesunde Wohnverhältnisse für die Bewohner der Gemeinschaftsunterkunft und der Anwohner nicht gewahrt wären.

 

-           Das gemeindliche Einvernehmen kann unter Würdigung der vorgenannten Gründe an diesem Standort nicht erteilt werden.

Allein diese planungsrechtlichen Gründe sind maßgebend für die Versagung des gemeindlichen Einvernehmens. Dahinter steht keine Abwehrhaltung gegenüber Asylbewerberunterkünften, was sich schon daran zeigt, dass die Stadt Bogen ihren Pflichten bei der Aufnahme von Asylbewerbern und Aussiedlern in der Vergangenheit und auch jetzt überdurchschnittlich nachkommt.